Aussage gegen Aussage

Steht Aussage gegen Aussage stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Zuverlässigkeit einer Zeugenaussage und damit nach deren Glaubhaftigkeit.

Eine Aussage gegen Aussage Konstellation liegt vor, wenn sich unterschiedliche Aussagen unvereinbar gegenüberstehen und keine anderen unmittelbar tatbezogenen Beweismittel existieren. Der Beschuldigte darf im Strafrecht allerdings stets schweigen, so dass faktisch oftmals nur eine Aussage vorliegt – die des möglichen Tatopfers.

Deshalb ist die Beweiskonstellation Aussage gegen Aussage die schwierigste im Strafrecht und für alle Beteiligten. Und nirgends benötigt der Beschuldigte so dringend wie hier einen unnachgiebigen und überaus sachkundigen und erfahrenen Strafverteidiger.

Fehlerquellen in Aussagen

Naturgemäß erleben Menschen dieselbe Situation manchmal unterschiedlich. Das Gehirn erzeugt unser Erleben und nicht die Aussenwelt. Deshalb hat ein jeder Mensch sein eigenes subjektives Erleben und seine eigene Realität, eine „objektive“ Wahrheit gibt es gar nicht – das lehrt uns die Hirnforschung. Menschliche Missverständnisse tun ihr Übriges.

Ferner gibt es zahlreiche Fehlerquellen in Aussagen, so dass keinem Zeugen im Strafrecht vorbehaltlos geglaubt werden kann. Die Aussagepsychologie beschäftigt sich inzwischen seit Jahrzehnten mit derartigen Fehlerquellen und ist die einzige wissenschaftlich fundierte und vom Bundesgerichtshof (BGH) anerkannte Methodik zur Prüfung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen. Gerichte dürfen folglich nicht nach dem „Bauchgefühl“ urteilen.

Der größte Feind der Wahrheit ist nicht die Lüge, sondern der Irrtum.

Prof. Dr. Max Steller, Aussagepsychologe

Wer Opfer und wer Täter ist, steht erst am Ende eines Strafverfahrens fest – nicht schon zu dessen Beginn. Die Realität ist leider eine andere, denn die den Beschuldigten schützende Unschuldsvermutung gilt bei diesem Tatvorwurf nicht viel.

Grauzone menschlicher Missverständnisse

Im Rahmen „spontaner“ Dates kann es zu kommunikativen Missverständnissen kommen, denn das Gesetz verlangt seit „Nein heißt Nein“ die (unmissverständliche) Äußerung eines entgegenstehenden Willens, sofern dieser denn zur fraglichen Zeit tatsächlich entgegenstand. Relevant ist hier vor allem eine Art Rückschaufehler, durch den man zurückliegende Ereignisse rückblickend anders beurteilt als im konkreten Moment.

Andererseits ist für den Fall, dass der entgegenstehende Wille kundgetan wurde, fraglich, ob dies von der anderen Person akustisch verstanden und als ernstgemeint erkannt wurde. Dies betrifft insbesondere ambivalente Kommunikation.

Nein heißt Nein

Der Grundsatz „Nein heißt Nein“ gilt schon seit 2016 im Sexualstrafrecht. Relevant ist ein erkennbar entgegenstehender Wille zu bestimmten sexuellen Handlungen. Oftmals steht Aussage gegen Aussage.

Aussage gegen Aussage im Sexualstrafrecht bei Falschbeschuldigung Vergewaltigung

Freispruch im Zweifel für den Angeklagten?

Müsste nicht der Zweifelsgrundsatz („in dubio pro reo“) anzuwenden und der Angeklagte freizusprechen sein, wenn nur eine Aussage vorliegt und keinerlei Beweismittel? Nein, denn das Gericht – und im Ermittlungsverfahren die Staatsanwaltschaft prüft diese Aussage auf ihre Glaubhaftigkeit hin. Sofern die Staatsanwaltschaft keine Zweifel an der Aussage hat, klagt sie an und das Gericht verurteilt, sofern sie die Sachlage genauso beurteilt.

Die freie richterliche Beweiswürdigung

Ein Richter ist in seiner Beweiswürdigung frei. Wie frei, kann manchmal schon verwundern. Seine Feststellungen und Schlussfolgerungen im Urteil brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie „möglich“ sind. Es ist dabei gleichgültig, ob ein anderer Richter den Sachverhalt anders gewürdigt hätte, sogar ob eine andere Beurteilung nähergelegen hätte bzw. überzeugender gewesen wäre.

Die Beweiswürdigung ist erst fehlerhaft, wenn sie widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und erkennbar in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht lediglich isoliert gewertet, sondern vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Abschließend darf an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit keine überspannten Anforderungen gestellt werden.

Umgekehrt für den Freispruch eines Angeklagten bedarf es zur Überzeugung des Gerichts keine absolute, unumstößliche Gewissheit und keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben „brauchbaren“ Grad von Gewissheit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet.

Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist nicht schon dann verletzt, wenn der Richter nicht zweifelte, obwohl er hätte zweifeln müssen, sondern erst dann, wenn er verurteilte, obwohl er zweifelte.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.08.2008 – 2 BvR 553/08

Mit anderen Worten: ein Richter, der – freundlich formuliert – besonders gutgläubig ist und nie zweifelt, könnte jeden Angeklagten verurteilen. Wehe dem, der einem solchen Gericht ohne einen engagierten, spezialisierten Fachanwalt und Strafverteidiger ausgeliefert ist!

Folgen für die Beweiswürdigung

Der Bundesgerichtshof hat für die Beweiswürdigung in der Konstellationen Aussage gegen Aussage feste Richtlinien aufgestellt, die Gerichte in ihrer Rechtsprechung binden (sollen). An diese Rechtsprechung ist die Staatsanwaltschaft und das Gericht von der Verteidigung stets zu erinnern. Kein Strafverteidiger darf es hinnehmen, wenn Gerichte leichtfertig über diese Grundsätze des Bundesgerichtshofs hinweggehen wollen.

Die Rechtsprechung stellt besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung in Konstellationen, in denen „Aussage gegen Aussage“ steht. Erforderlich sind eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben, eine genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs, sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.03.2012 – 2 StR 565/11

Die Anforderungen verdeutlichen, welcher Prüfungsmaßstab an die Beweiswürdigung anzulegen ist und dass es sich Staatsanwaltschaften und Gerichte eben nicht derart einfach machen können, indem sie nicht zweifeln und einfach alles hinnehmen, ohne Widersprüche kritisch zu hinterfragen.

Glaubhaftigkeit von Aussagen und Glaubwürdigkeit von Zeugen in der Konstellation Aussage gegen Aussage

Glaubhaftigkeit vs. Glaubwürdigkeit

In der Konstellation Aussage gegen Aussage ist die Frage der Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage so relevant wie nirgendwo sonst, denn es gibt keine anderen Beweismittel. Aber wie findet man heraus, ob jemand die Wahrheit sagt?

Besondere Schwierigkeiten der Aussage gegen Aussage Konstellation

Die Konstellation „Aussage gegen Aussage“ fordert von einem Strafverteidiger ein hohes Maß an Spezialisierung, Beharrlichkeit sowie Lebenserfahrung. Ferner darf er den Konflikt nicht scheuen und muss die feindliche Verhandlungsatmosphäre aushalten können. In der Vernehmung von Zeugen muss er zugleich das notwendige Fingerspitzengefühl besitzen.

Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M. gilt bundesweit als Experte für Aussage gegen Aussage Konstellationen. Seit Jahren hält er Fortbildungen für Rechtsanwälte und Fachanwälte für Strafrecht auf diesem Gebiet, doziert an der Medical School Hamburg im Masterstudiengang Rechtspsychologie und ist Autor in den wohl bedeutendsten Handbüchern zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und der strafrechtlichen Hauptverhandlung.

Mirko Laudon LL.M., in: Burhoff (Hrsg.): Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und die strafrechtliche Hauptverhandlung (2025)

Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M.,
in: Burhoff (Hrsg.):

  • Beweiswürdigung
  • Aussage gegen Aussage
  • Glaubwürdigkeitsgutachten

Obwohl es keinen Fachanwalt für Sexualstrafrecht gibt, weil diese Qualifikation lediglich in bestimmten Rechtsgebieten wie z.B. dem Strafrecht vergeben wird, verfügt Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M. infolge seiner besonderen theoretischen und praktischen Erfahrungen über eine dem Fachanwalt vergleichbare Qualifikation.

Häufig gestellte Fragen zu Aussage gegen Aussage

Was heißt Aussage gegen Aussage?

Aussage gegen Aussage bedeutet, dass sich zwei Aussagen unvereinbar gegenüberstehen ohne dass es weitere Beweismittel gibt. Auch wenn der Beschuldigte zu dem Tatvorwurf schweigt, steht dennoch Aussage gegen Aussage.

Gibt es bei Aussage gegen Aussage immer einen Freispruch?

Nein, ganz und gar nicht. Das Gericht wird versuchen, die Aussagen gegeneinander abzuwägen und überprüfen, welcher Zeugenaussage mehr Glauben geschenkt werden kann.

Wie entscheidet ein Richter bei Aussage gegen Aussage?

Grundsätzlich glaubt ein Gericht natürlich zuerst dem möglichen Opfer, denn sonst hätte es das Hauptverfahren nicht eröffnen dürfen. Denn oftmals klingt alles glaubwürdig und man fragt sich, warum die Person sich so etwas ausdenken sollte.

Warum sollte sich jemand eine Vergewaltigung ausdenken?

„Der größte Feind der Wahrheit ist nicht die Lüge, sondern der Irrtum.“ Es gibt zahlreiche Fehlerquellen in Aussagen, so dass eine Falschbeschuldigung meist nicht bewusst, sondern unbewusst erfolgt. Diese falschen Erinnerungen sind am schwierigsten zu erkennen.

Ist die Aussage eines Zeugen ein Beweis?

Ja, die Aussage eines Zeugen – oder des möglichen Tatopfers selbst – sind ein Beweis, in Fällen von Aussage gegen Aussage sogar häufig das einzige Beweismittel.

Warum braucht man den besten Anwalt bei Aussage gegen Aussage?

„Wer unschuldig ist, braucht die besten Anwälte“ sagt die Erfahrung. Staatsanwälte sind in Fachdezernaten organisiert, die schwerpunktmäßig derartige Konstellationen bearbeiten, ebenso wie Gerichte mit Jugendschutzkammern. Deshalb braucht es einen überaus sachkundigen und erfahrenen Strafverteidiger, der alles versuchen wird, damit Sie in Freiheit bleiben – auch und gerade wenn sie tatsächlich unschuldig sind.

Wie kann ein Anwalt mir überhaupt helfen?

Ein Rechtsanwalt bekommt Akteneinsicht und kann die Aussage des möglichen Opfers auf Glaubhaftigkeit hin überprüfen. Daher sollte man unbedingt einen auf das Sexualstrafrecht spezialisierten Strafverteidiger beauftragen, der als Anwalt Aussage gegen Aussage Konstellationen täglich bearbeitet und daher über besonders große Erfahrung verfügt – so wie Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Mirko Laudon.

Übernehmen Sie nur Mandate in Hamburg und Berlin?

Nein, denn als Strafverteidiger sind wir bundesweit tätig. Unsere Kanzlei hat Standorte in Hamburg und Berlin, die ersten Fragen werden aber im Rahmen einer Erstberatung ohnehin üblicherweise am Telefon oder per Videocall geklärt. Später können Sie (wenn Sie es für nötig halten) zu uns in die Kanzlei kommen oder wir reisen zu Ihnen (z.B. bei U-Haft, gegen Kostenerstattung).

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