Hauptverfahren und Hauptverhandlung

Das Hauptverfahren beginnt mit Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung durch den Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 StPO) im Zwischenverfahren und endet durch ein Urteil – Freispruch oder Verurteilung – bzw. mit einer Einstellung des Verfahrens.

Eine Hauptverhandlung folgt strengen Verfahrensgrundsätzen und einem starren Ablauf. Sie findet mündlich und grundsätzlich öffentlich statt, gerade deshalb wird sie oftmals von Angeklagten als große Belastung wahrgenommen.

Strafverfahren: Hauptverfahren und Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht (Schöffengericht) oder Landgericht in Hamburg oder Berlin

Eine Frage des Vertrauens

Strafverteidigung ist Vertrauenssache! In der Hauptverhandlung benötigen Sie dringlichst einen verlässlichen und erfahrenen Beistand an Ihrer Seite, der den Konflikt nicht scheut.

Zuständigkeit und Besetzung der Gerichte

Die sachliche Gerichtszuständigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der Straferwartung. Für Strafverfahren, in denen eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe unter zwei Jahren zu erwarten ist, ist der Strafrichter zuständig, bei zu erwartender Freiheitsstrafe zwischen zwei und vier Jahren das Schöffengericht. Das Landgericht ist bei Straferwartungen von mehr als vier Jahren zuständig sowie in einer Vielzahl spezieller Zuständigkeiten (§§ 74 ff. GVG), z.B. der Wirtschaftsstrafkammer, Jugendschutzkammer oder dem Schwurgericht.

Amtsgericht
Strafrichter


Amtsgericht
Schöffengericht

Amtsgericht
Erw. Schöffengericht

Landgericht
Große Strafkammer

Berufsrichter Schöffe

Vor dem Amtsgericht finden Hauptverhandlungen vor dem Strafrichter (als Einzelrichter) oder vor dem Schöffengericht statt, das mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern (Schöffen) besetzt ist. Am Landgericht ist die große Strafkammer zuständig, die mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt ist.1

Ablauf der Hauptverhandlung

Der Ablauf ist in den §§ 243 ff. StPO genau festgelegt:

  • Aufruf der Sache, Feststellung der Anwesenheit
  • Vernehmung des Angeklagten zur Person und den persönlichen Verhältnissen
  • Verlesung des Anklagesatzes
  • Vernehmung des Angeklagten zur Sache
  • Beweisaufnahme
  • Schlussvorträge und letztes Wort
  • Urteilsverkündung

Die Hauptverhandlung kann auch über mehrere Hauptverhandlungstage stattfinden.

Der Angeklagte hat ein umfassendes Schweigerecht und muss während der Hauptverhandlung gar nichts sagen, sondern kann sich schweigend verteidigen.

Selbstverständlich besprechen wir vor der Hauptverhandlung in einem persönlichen Termin den genauen Ablauf, die Verteidigungsstrategie, ob Sie schweigen oder eine Erklärung abgeben werden („Einlassung“) und klären alle Ihre Fragen.

Der erste Hauptverhandlungstag

Allgemein wird der erste Hauptverhandlungstag von allen Beteiligten als beanspruchend empfunden, von den Angeklagten oftmals als einschüchternd. Jedes Gericht hat seine Besonderheiten und es lässt sich nie genau vorhersagen, was passieren wird – ob Presse anwesend ist (Fotografen, Fernsehkameras), ob alle Beteiligten und Zeugen anwesend sind.

Hauptverhandlungen am Kriminalgericht Berlin

In Berlin ist es Usus, dass alle Angeklagten bis zum Aufruf der Sache vor dem Saal warten müssen, während Staats- und Rechtsanwälte bereits im Saal warten. Dies dürfte bundesweit einmalig sein und ich ziehe es vor, mit meinem Mandanten auf dem Flur zu warten. Das Gericht muss sich dann gedulden bis ich verhandlungsbereit bin – ausgepackt, mein MacBook hochgefahren und die Robe angezogen habe.

Hauptverhandlungen finden stets öffentlich statt (§ 169 GVG), auf Antrag kann die Öffentlichkeit jedoch in begründeten Fällen ausgeschlossen werden, und zwar auch schon für die Verlesung des Anklagesatzes2. Dieser Antrag ist vor Vorlesung der Anklage zu stellen, nicht überall wird das gerne gesehen, weder von der Öffentlichkeit noch von den Gerichten. Oft müssen Vorsitzende erinnert werden, dass die Verhandlungsleitung ihnen auch die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten überantwortet (vgl. Nr. 129 RiStBV3).

In sämtlichen in Betracht kommenden Verfahren, insbesondere im Sexualstrafrecht stelle ich für den Angeklagten einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit, auch für die Verlesung der Anklage, um die Intimsphäre aller Beteiligten zu wahren.

Meine Aufgabe sehe ich darin, meine Mandanten vor allen Angriffen zu verteidigen – ganz gleich ob im Saal oder vor dem Saal, um (aufdringliche) Fotografen abzuhalten. Und diese Aufgabe nehme ich sehr ernst, denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist notwehrfähig4.

Beweisaufnahme

Die Beweisaufnahme ist das „Herzstück“ und eigentlicher Zweck einer Hauptverhandlung.

Das Strafverfahren kennt nur vier Beweismittel, mittels derer die Schuld des Angeklagten festgestellt werden kann: Zeugen, Urkunden, Augenschein und Sachverständige.

Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M.

»Am Ende wird alles gut.
Wenn es nicht gut wird,
ist es noch nicht das Ende.«

Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M., Fachanwalt für Strafrecht und Strafverteidiger in Hamburg und Berlin

Auch die Rechte der Strafverteidigung sind (während der Beweisaufnahme) begrenzt auf: Anwesenheitsrecht, Antragsrecht, Fragerecht, Erklärungsrecht und Beanstandungsrecht.

Beweisanträge der Verteidigung

Die Anklage gibt das gerichtliche Beweisprogramm vor. Von entlastenden Beweismitteln kann die Staatsanwaltschaft bei einem schweigenden Angeklagten nichts wissen, so dass die Verteidigung diese vorbringen muss. Dies geschieht über Beweisanträge.

Es gilt das Unmittelbarkeitsprinzip, welches verlangt, stets das tatnächste Beweismittel zu „verwenden“, bei Zeugen erst denjenigen zu vernehmen, der den Tathergang miterlebt hat. Zudem gilt der Grundsatz: Personalbeweis vor Urkundenbeweis. Beruht der Beweis einer Tatsache auf der Wahrnehmung einer Person, so muss das Gericht diesen Zeugen in der Hauptverhandlung vernehmen. Das Gericht darf die Vernehmung nicht durch Verlesung eines Protokolls über eine frühere Vernehmung ersetzen.

In der Beweisaufnahme werden nacheinander die Zeugen gehört. Zunächst haben sie frei zu berichten, was sie wahrgenommen haben, danach werden sie von den Beteiligten befragt, zuerst durch das Gericht (Vorsitzende:r, Beisitze:r, Schöff:innen), Staatsanwaltschaft, Sachverständige, Nebenklage – und zuletzt durch die Verteidigung (wer glaubt, es blieben keine Fragen mehr übrig, der irrt).

Fragerecht der Verteidigung

Die Zeugenvernehmung gehört seit Anbeginn meiner Tätigkeit zu meiner Kernkompetenz. Seit mehr als zehn Jahren beschäftige ich mich intensiv mit der Aussagepsychologie und Aussage gegen Aussage Konstellationen, gebe Fortbildungen für Rechtsanwälte zu dieser Thematik und veröffentliche hierzu als Autor.

Des Weiteren werden in der Beweisaufnahme etwa Lichtbilder in Augenschein genommen, Urkunden verlesen oder Sachverständige angehört. Sind alle Beweismittel verarbeitet wird die Beweisaufnahme geschlossen. Das Ende der Hauptverhandlung naht.

Unterbrechung und Aussetzung

Am Ende des Hauptverhandlungstages wird diese bis zum nächsten Termin unterbrochen, für maximal drei Wochen (§ 229 StPO), nach zehn Hauptverhandlungstag auch für einen Monat. Kann diese Frist nicht eingehalten werden, z.B. weil ein Gutachten eingeholt werden muss, wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und muss von vorn beginnen.

Dokumentation der Beweisaufnahme

Man fragt sich vielleicht, wie die Hauptverhandlung dokumentiert wird, z.B. was ein Zeuge ausgesagt hat. Überraschenderweise bisher gar nicht! Am Amtsgericht gibt es zumindest noch eine Protokollkraft, die versucht mitzuschreiben, was ein Zeuge berichtet hat (jedoch nicht wörtlich), am Landgericht gibt es kein Inhaltsprotokoll, sondern es werden lediglich die wesentlichen Förmlichkeiten protokolliert, demnach nur, dass ein Zeuge ausgesagt hat. Man muss sich schon wundern, warum ausgerechnet bei den „wichtigen“ Strafprozessen mit hohen Straferwartungen keinerlei verbindliche Dokumentation erfolgt.

Und so schreibt jeder Verfahrensbeteiligte selbst mit, was ein Zeuge gesagt hat.

Grundsatz der freien Beweiswürdigung

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht – im Urteil – nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (§ 261 StPO). Über die Schuld- und Straffrage entscheidet ein Richter (mit Ausnahme des Strafrichters) natürlich nicht allein, sondern zusammen mit den anderen Richtern und den Schöffen.

Wie „frei“ die Beweiswürdigung ist, liest man einige Wochen später im schriftlichen Urteil. Man fragt sich zuweilen, ob man in derselben Hauptverhandlung wie das Gericht gesessen hat. Zeugenaussagen werden völlig anders wiedergegeben, was Sachverständige gesagt haben, entspricht eher dem, was diese zuvor im schriftlichen Gutachten geschrieben hatte. Hat der Angeklagte zur Sache Angaben gemacht, werden diese fast ausnahmslos als nicht glaubhaft abgetan. Nun weiß man, warum die Hauptverhandlung nicht dokumentiert wird.

Einstellung wegen geringer Schuld

Auch in diesem Verfahrensabschnitt kommt noch eine Einstellung gemäß §§ 153 ff. StPO in Betracht. Und selbst die „schlechteste“ Einstellung ist besser als ein Freispruch.

Warum? Durch die Einstellung wird das Verfahren abgekürzt und sofort beendet. Das kann allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein. Der viel wichtigere Vorteil liegt allerdings in der Rechtskraft: Die Einstellung beendet das Verfahren endgültig, es gibt kein Rechtsmittel dagegen, weil Staatsanwaltschaft sowie Gericht sich einig sein müssen und auch der Angeklagte zustimmen muss. Hingegen wird gegen einen Freispruch sehr häufig durch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt, so dass das Strafverfahren dadurch in die nächste Instanz geht und im schlimmsten Fall die gesamte Hauptverhandlung noch einmal von vorn beginnt.

Urteil: Freispruch oder Verurteilung

Nach dem Schluss der Beweisaufnahme beginnen die Schlussvorträge, beginnend mit der Staatsanwaltschaft. Dieser kommt die Aufgabe zu, das Gesamtergebnis der Beweisaufnahme in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu würdigen und einen konkreten Antrag zu formulieren – Freispruch oder Verurteilung.

Hält die Staatsanwaltschaft die Schuld des Angeklagten für erwiesen, sind auch die Strafzumessungsgründe sowie alle Umstände, die für die Strafbemessung und möglicherweise die Strafaussetzung zur Bewährung von Bedeutung sein können.

Danach erhält die Strafverteidigung das Wort für das Plädoyer und falls notwendig einen letzten Appell an das Gericht. Nicht selten beurteile ich die Beweislage völlig anders als die Staatsanwaltschaft – der Erfolg gibt mir jedenfalls recht.

Schließlich erhält der Angeklagte das „letzte Wort“, eine sprachliche Fehlleistung, denn das letzte Wort hat stets das Gericht, genau genommen das letztinstanzliche Gericht.

Die große Überraschung bleibt beim Urteil in der Regel aus, denn häufig gibt es deutliche Anzeichen, was das Gericht „Im Namen des Volkes“ urteilt. Damit ist die Instanz beendet, das letzte Wort ist dennoch damit nicht gesprochen.

Unabhängig vom Ausgang, die große Freude wird auf die Rechtskraft warten müssen.

Urteilsgründe

Das Urteil wird noch in der Hauptverhandlung mündlich begründet. Innerhalb einer Woche muss ggf. Rechtsmittel eingelegt werden.

Für die schriftlichen Urteilsgründe gelten gemäß § 275 StPO folgende Fristen:

Dauer der HauptverhandlungLänge der Urteilsabsetzungsfrist
1-3 Tage5 Wochen
4-10 Tage7 Wochen
11-20 Tage9 Wochen
21-30 Tage11 Wochen
je weitere angefangene 10 Tageje weitere 2 Wochen

Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M.

Glauben Sie bitte, ich werde alles daran setzen, Ihnen eine Hauptverhandlung und die damit verbundene Erfahrung zu ersparen. Sollte es aber doch dazu kommen, bin ich bereit.

Als hochspezialisierter Strafverteidiger kämpfe ich in Hamburg, Berlin und bundesweit für Ihre Rechte. Ich stehe fest an Ihrer Seite, wir gehen diesen schwierigen Weg gemeinsam. Sie dürfen darauf vertrauen, dass ich Sie in der Hauptverhandlung jederzeit persönlich, professionell und unnachgiebig verteidige. Je nach Verteidigungsziel konsensual oder hart in der Sache, jedenfalls aber stets substanziell in der Argumentation.

Kompetenz im Strafverfahren und im Zwischenverfahren – Mirko Laudon LL.M., in: Burhoff (Hrsg.): Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und die strafrechtliche Hauptverhandlung (2025)

Kompetenz im Strafverfahren

Mirko Laudon LL.M. ist Autor in diesem Standardwerk zum Strafverfahren, u.a. zur Beweiswürdigung im Ermittlungsverfahren und der Hauptverhandlung.

Ich scheue den Konflikt mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht nicht, insbesondere in der streitigen Hauptverhandlung laufe ich zur Höchstform auf – ich bin „Prozessanwalt“. Ich streite hartnäckig für die Sache meines Mandanten, um seiner Freiheit willen.

Es heißt, auf hoher See und vor Gericht sei man in Gottes Hand. Der Ausgang eines Strafverfahrens hängt aber nicht vom Schicksal ab, oder vom Glück, sondern von harter Arbeit in der Vorbereitung einer Hauptverhandlung, von Fleiß, genauer Aktenkenntnis, einer überlegten Strategie – und ganz am Ende braucht es nur noch ein kleines Quäntchen Glück.

  1. Das Schöffengericht kann ggf. auch als erweitertes Schöffengericht mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln. Die Strafkammer kann wiederum auch mit nur zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen verhandeln. ↩︎
  2. BGHSt 57, 273 ↩︎
  3. Nr. 129 Abs. 1 RiStBV: „Presse, Hörfunk und Fernsehen dürfen in ihrer Berichterstattung nicht mehr beschränkt werden, als das Gesetz und der Zweck der Hauptverhandlung es gebieten. Die Aufgabe des Gerichts, die Wahrheit zu erforschen, darf nicht vereitelt oder erschwert, das Recht des Angeklagten, sich ungehindert zu verteidigen, nicht beeinträchtigt werden; auch sind die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten und anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, zu berücksichtigen.“ ↩︎
  4. OLG Hamburg, Beschl. v. 05.04.2012 – 3 – 14/12 (Rev) ↩︎

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