Zum Missbrauch der Vermögensbetreuungspflicht bei der Untreue durch Ausnutzen der Kreditkarte eines Verstorbenen.
– Anmerkung von Mirko Laudon LL.M., veröffentlicht in StRR 2015, 311 –
Leitsatz des Gerichts
Zur Vermögensbetreuungspflicht desjenigen, dem vom eigentlichen Kreditkarteninhaber eine Kreditkarte zur eigennützigen Verwendung überlassen wurde, nach dem Tod des Kreditkarteninhabers.
OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2015 – 1 RVs 15/15
Übersicht: Ausnutzen einer Kreditkarte posthum
I. Sachverhalt
Der am 21.1.2013 verstorbene T. „überließ“ oder „schenkte“ seiner Haushälterin wohl gegen Ende September 2012 eine Kreditkarte „zur freien Nutzung, also für eigene Zwecke“, deren Verfügungslimit bei monatlich 5.000 Euro lag. In der Folgezeit tätigte die Angeklagte zahlreiche Umsätze mit der Kreditkarte, die vom Kontokorrentkonto des T. abgebucht wurden. Auch nach dessen Tod tätigte die Angeklagte vom 25.1.2013 bis 1.2.2013 insgesamt 22 Umsätze in Höhe von insgesamt 4.686,07 Euro.
Das AG Siegen hat die Angeklagte wegen Untreue in 22 Fällen zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das LG Siegen verworfen. Nach den Feststellungen des Landgerichts tätigte die Angeklagte die 22 Umsätze in Kenntnis des Todes des T. Sie habe gewusst, dass dessen Vermögen nach seinem Tod allein den Erben zugestanden habe, zu denen sie – wie sie gewusst habe – nicht gehört habe. Dadurch habe die Angeklagte ihreTreuepflicht, die aus der Überlassung der Kreditkarte resultierte, zum Nachteil der Erben des T. missbraucht, obwohl ihre Berechtigung im Innenverhältnis nach § 168 BGB mit dessen Tod geendet habe.
II. Entscheidung
Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung der Angeklagten aus Rechtsgründen.
Im angefochtenen Urteil wird verkannt, dass eine Vermögensbetreuungspflicht weder gegenüber dem Verstorbenen noch gegenüber dessen Erben bestand. Eine Untreue i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB liegt damit nicht vor.
Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen im Sinne eines Gewinnens, Erhaltens und Vermehrens wirtschaftlicher Werte von einiger Bedeutung zu betreuen hat. Diese Pflicht muss eine besondere Pflicht sein, die über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgeht. Hierbei ist in erster Linie von Bedeutung, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge den Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung bildet und ob dem Verpflichteten bei deren Wahrnehmung ein gewisser Spielraum, eine gewisse Bewegungsfreiheit oder Selbstständigkeitverbleibt.
Eine besondere Vermögensbetreuungspflicht traf die Angeklagte nicht, denn die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Ein Spielraum verblieb ihr schon deshalb nicht, weil der Verfügungsrahmen der Kreditkarte auf monatlich 5.000 Euro begrenzt war und eine Verwendung über diesen Betrag hinaus somit gar nicht möglich. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war folglich gerade nicht die Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern eben dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat. Da, wie das Landgericht ausführt, der „rüstige“ Verstorbene keinen Anlass hatte, sich über die Frage seines Ablebens und dessen Folgen für die Nutzung der Kreditkarte Gedanken zu machen und diese bei Übergabe der Karte an die Angeklagte zu erörtern, kann auch nicht angenommen, werden, er habe der Angeklagten für den Fall seines Ablebens eine Vermögensbetreuungspflicht zu Gunsten seiner Erben im Falle seines Versterbens auferlegen wollen.
Bedeutung für die Praxis: Ausnutzen einer Kreditkarte?
1. Überlässt ein Kreditkarteninhaber seine Karte einem Dritten zur eigennützigen Verwendung, macht dieser sich nicht bereits dann wegen Untreue strafbar, wenn er die Kreditkarte nach dem Tod des Inhabers weiterhin ausnutzt, da es an der Vermögensbetreuungspflicht sowohl gegenüber dem Verstorbenen als auch gegenüber dessen Erben fehlt. Zu überprüfen ist in solchen Fällen demnach stets, ob die fremdnützige Vermögensfürsorge Hauptgegenstand der Rechtsbeziehung ist oder ob diese wie hier eigennützig ausgestaltet ist.
2. Im Unterschied zur Entscheidung OLG Hamm NStZ-RR 2004, 111 hatte der Geschädigte dort seiner mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebensgefährtin Kontovollmacht erteilt, damit sie Geldbeträge zur angemessenen Lebensführung von seinem Konto abheben konnte. Diesen Rahmen hatte sie jedoch überschritten. Dieser Spielraum stand degegen der Angeklagten hier nicht zu, da sieüber den Betrag des Kreditkartenlimits hinaus keine Verfügungen zu Lasten des Verstorbenen treffen konnte.
3. Schließlich war die Angeklagte auch nicht wegen Betruges oder wegen einer Unterschlagung zu bestrafen. Die Händler, bei denen die Angeklagte unter Vorlage der Kreditkarte eingekauft habe, seien nicht getäuscht worden. Die Kreditkarte selbst habe die Angeklagte auch nicht unterschlagen.