Durchsuchungsgrund bei Journalisten und Medienunternehmen

Durchsuchungsgrund bei Medienunternehmen und Journalisten darf nicht vorrangig die Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten sein.
– Anmerkung von Mirko Laudon LL.M., veröffentlicht in StRR 2015, 381 –

Durchsuchungsgrund bei Journalisten und Medienunternehmen

Leitsätze des Verfassers

1. Die Durchsuchung in Redaktionsräumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären, da dies ungerechtfertigt in die Pressefreiheit eingreift.

2. Der Beschlagnahmeschutz des § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfällt nur, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat des konkret betroffenen Mitarbeiters eines Medienunternehmens vorliegen.

BVerfG, Beschl. v. 13.7.2015 – 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13, 1 BvR 2480/13



I. Sachverhalt

Die Beschwerdeführer sind ein Journalist sowie ein Zeitungsverlag. Im Frühjahr 2011 reiste der Journalist nach Amsterdam, um über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Dabei wurde er von dem Polizeioberkommissar N. begleitet, der eine Rechnung über 3.149,07 EUR an die Chefredaktion der Beschwerdeführerin stellte. Im November 2012 wurden das Redaktionsgebäude des Zeitungsverlags sowie die Privatwohnung des Journalisten wegen des Verdachts der Bestechung durchsucht. Der Durchsuchungsbeschluss stützte sich auf die Zahlung des Journalisten an N. Aufgrund der Heimlichkeit der Reise, des ungewöhnlich hohen Tagessatzes von 500,00 EUR sowie der Bitte um Barauszahlung bestehe der Verdacht, dass die von N. für die Zeitung erledigten Tätigkeiten dienstlichen Bezug hätten. Nach Darstellung der Beschwerdeführer sei N. jedoch außerhalb seiner Dienstzeit als Sicherheitsexperte für die Recherchereise engagiert worden.

II. Entscheidung

Das BVerfG: Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ist eröffnet. Der Eingriff durch die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Pressefreiheit ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) sind als allgemeine Gesetze anerkannt, müssen allerdings im Lichte dieser Grundrechtsverbürgung gesehen werden.

Hier ging es den Strafverfolgungsbehörden zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen. Bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwerdeführern handelt es sich jedoch um bloße Mutmaßungen. Weder dem Durchsuchungsbeschluss noch der Beschwerdeentscheidung ist zu entnehmen, für welche Informationen Geld gezahlt worden sein soll. Der Tatbestand der Bestechung verlangt jedoch schon einfachrechtlich die Vornahme einer hinreichend konkreten Diensthandlung. In Bezug auf die Beschwerdeführer mangelt es daher an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat, die den Beschlagnahmeschutz entfallen lässt.

Ferner lässt sich aus dem bloßen Umstand, dass der mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes „Journalisten-Handy“ nutzte, nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade gegen die Beschwerdeführer schließen. Wegen des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Informantenschutzes rechtfertigt das Strafverfolgungsinteresse keine Durchsuchung in Redaktionsräumen, sofern nicht erkennbar ist, dass auch gegen diese selbst strafrechtlich relevante Vorwürfe zu erheben sind. Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf eine Bestechung schließen.

Bedeutung für die Praxis und Anforderungen an den Durchsuchungsgrund

Auch nach der „Cicero“-Entscheidung (BVerfGE 117, 244) wird dem verfassungsrechtlich gebotenen Informantenschutz durch die Rechtsprechung nicht hinreichend Rechnung getragen.

Danach hatte der Gesetzgeber geregelt, dass Beihilfehandlungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des § 353b Abs. 3a StGB nicht mehr als rechtswidrig anzusehen sind. Strafbar bleiben hingegen die Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihilfehandlungen, die der Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der Information hinausgehen. Hierzu soll insbesondere die Zahlung von Honorar für dienstlich erlangte Informationen gehören.
Unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann dies jedoch dann nicht gelten, wenn die Durchsuchung und Beschlagnahme nicht auf einen konkreten Verdacht gerade gegenüber den betroffenen Journalisten gestützt ist, sondern der Durchsuchungsgrund dem vorrangigen oder ausschließlichen Zweck dient, Verdachtsgründe gegen den Informanten zu finden.

Vielmehr erfordert eine Durchsuchung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, die den Beschlagnahmeschutz des § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfallen lässt. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

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