Interne Ermittlungen („internal investigations“) sind das Instrument zur Untersuchung und Aufklärung von möglichen Compliance-Verstößen in Unternehmen. Meist steht am Anfang nur ein Hinweis oder vager Verdacht für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten eines Mitarbeitenden. Das Unternehmen – besser gesagt: die Unternehmensleitung – ist dann jedoch verpflichtet zu handeln und den möglichen Vorfall zu untersuchen und aufzuklären.
Viele Unternehmen stehen vor allzu verständlichen Problemen: einerseits möchte man den betroffenen Mitarbeitenden nicht zu früh konfrontieren, vielleicht ist an dem Verdacht „gar nichts dran“ und dann hätte man sie/ihn zu Unrecht verdächtigt, andererseits soll sie/er keine Gelegenheit erhalten, das Fehlverhalten zu verdunkeln oder zu verschleiern.
Sofern das Unternehmen über keine eigene Complicance- oder Rechtsabteilung verfügt, ist es sinnvoll, den möglichen Vorfall extern aufklären zu lassen. Dies sorgt für notwendige Distanz und führt innerhalb des Unternehmens für weniger Zerwürfnissen, die z.B. durch Schuldzuweisungen oder Schulterschlusseffekte leicht entstehen können und das Arbeitsklima im Unternehmen dauerhaft und nachhaltig gefährden.
Auslöser für interne Ermittlungen
Nicht selten steht zu Beginn der internen Untersuchung noch gar nicht fest, wer Zeuge und wer Beschuldigte:r ist. Es liegt vielleicht nur ein anonymer Hinweis oder ein Bericht über verdächtige Aktivitäten vor. Sofern sich hieraus jedoch ein Anfangsverdacht ergibt, sei er auch noch so gering, muss dieser durch interne (Vor-) Ermittlungen aufgeklärt werden.
Was ist ein Anfangsverdacht?
Ein Anfangsverdacht besteht gemäß § 152 Abs. 2 StPO, wenn „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat vorliegen. Voraussetzung ist das Vorliegen konkreter Tatsachen, die es als möglich erscheinen lassen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen hierfür nicht aus.
Zunächst wird im Rahmen von Vorermittlungen die Plausibilität dieses Hinweises bzw. der verdächtigen Aktivität überprüft:
- Verfügt die/der Hinweisgeber:in über unternehmensinternes Hintergrundwissen?
- Kennt diese:r Namen, Daten und Fakten, die allesamt nachprüfbar sind?
- Sind die Aktivitäten tatsächlich verdächtig oder handelt es sich nur um einen Zufall?
- Ist ein bestimmtes System oder Muster hinter den Aktivitäten erkennbar?
Sind die Fragen zu bejahen, dann liegt ein begründeter Verdachtsfall vor, der eine interne Untersuchung und Aufklärung nach sich ziehen muss. Ab positiver Kenntnis begründet ein Unterlassen der weiteren Aufklärung ggf. eine zivilrechtliche oder strafrechtliche Verantwortlichkeit des/der Mitarbeiter:in bzw. der Leitungsperson des Unternehmens.
Zu klären ist danach, ob lediglich ein Verdachtsfall vorliegt, der eine weitere Untersuchung erfordert oder ob es sich schon um einen evidenten Verstoß gegen Compliance-Richtlinien oder sogar um eine vorsätzlich begangene Straftat oder Ordnungswidrigkeit handelt.
Personenbezogene Untersuchung und Aufklärung
Die Untersuchung wird sich anfänglich darauf konzentrieren, diesen Verdachtsfall auf eine bestimmte verantwortliche Person oder einen Personenkreis zu konkretisieren. Hierbei ist jedoch § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu beachten: Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungsverhältnis zum Zweck der „Verfolgung von Straftaten“ ist namentlich nur dann zulässig, wenn
- zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass die betroffene Person im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat,
- die Verarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und
- das schutzwürdige Interesse der oder des Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Unabhängig davon ist bei bußgeldbewährten oder strafbaren Handlungen stets zu prüfen, ob die Einschaltung staatlicher Ermittlungsbehörden nicht schon wegen der Schwere der möglichen Straftaten unerlässlich ist. Dies ist unabhängig davon zu beantworten, ob eine rechtliche Verpflichtung zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden besteht. Eine frühzeitige Einschaltung hat sowohl Vor- als auch Nachteile, die sorgfältig gegeneinander abgewogen werden sollten. Zu bedenken ist etwa, dass staatliche Ermittlungen lange dauern und dadurch wichtige Fristen (außerordentliche Kündigungsfrist, § 622 Abs. 2 BGB) nicht eingehalten werden könnten. Hier sollte unbedingt auf die Expertise von Fachanwälten für Strafrecht und Arbeitsrecht zurückgegriffen werden, da hier zahlreiche Problemfelder zu beachten sind (Stichwort: Abfindung wegen unberechtigter Kündigung).
Sorgfältige und ergebnisoffene Untersuchung und Aufklärung
Interne Ermittlungen sind brisant! Das innerbetriebliche Vertrauensverhältnis ist bedroht, falls die Untersuchung bzw. Aufklärung nicht behutsam und ergebnisoffen unter Vermeidung jeder Vorverurteilung geführt wird. Prüfenden Blicken sind nicht nur die Beschuldigten ausgesetzt, im gesamten Unternehmen könnte sich Misstrauen unter den Kollegen breitmachen.
Verdachtsfall
Handelt es sich um einen Verdacht gegen eine bestimmte, möglicherweise verantwortliche Person oder Personengruppe, sind die vorhandenen Indizien oder Beweise und die Art und Schwere des Verstoßes abwägen, bevor interne Ermittlungen durchgeführt werden. Stellt sich heraus, dass die/der Mitarbeiter:in tatsächlich unschuldig war, wird durch die internen Untersuchungen das Vertrauensverhältnis zwangsläufig nachhaltig beschädigt.
Erschwerend kommt hinzu, dass ein konkreter Rahmen für die rechtssichere Durchführung interner Ermittlungen bisher fehlt. In der Praxis folgt daraus, dass Verantwortliche fürchten müssen, durch interne Untersuchungen die Rechte ihrer Mitarbeiter:innen zu verletzen, sich durch die Untersuchung selbst strafbar zu machen oder strafrechtlich relevantes Verhalten unzureichend zu dokumentieren, dass es später gerichtlich nicht verwertbar ist.
Evidenter Compliance-Verstoß
Ist der Verstoß bereits hinreichend evident, ist unverzügliches Handeln erforderlich – allein wegen der kurzen Frist für die außerordentliche Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB. Es gilt, das Fehlverhalten ausreichend und vor allem gerichtlich verwertbar zu dokumentieren. Auch hier stellen sich zahlreiche Probleme der rechtskonformen Vorgehensweise.
Rechtskonforme Vorgehensweise
Ein Mittel der Aufklärung ist die Befragung von Zeug:innen und der/des Beschuldigten, an der in der Regel kein Weg vorbeiführt. Eine der ersten Fragen ist dann meist: starte ich mit der/dem Beschuldigten oder erst mit den Zeug:innen? Wie lade ich diese ein/vor und wie verhindere ich, dass das im Unternehmen sofort die Runde macht?
Zwar ist ein:e Arbeitnehmer:in grundsätzlich verpflichtet, an einer Mitarbeiterbefragung teilzunehmen, sofern die Teilnahme von dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. Ferner ist sie/er auch aufgrund seiner Treuepflicht zur Auskunft verpflichtet, wenn sich die Fragen auf den Arbeitsbereich beziehen, das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse hat und die geforderte Auskunft keine übermäßige Belastung für sie/ihn darstellt.
Aber was ist, wenn sie/er befürchten muss, sich selbst oder Arbeitskollegen durch diese Auskünfte zu belasten? Benötigen Zeug:innen vielleicht einen Zeugenbeistand und die/der Beschuldigte einen Strafverteidiger? Kann die Aussage generell verweigert werden? Muss der Betriebsrat involviert werden?
Beispiel: Unternehmensinterne Befragung von Mitarbeiter:innen
Ein Mitarbeiter soll für günstigere Aufträge „Kickback“-Zahlungen erhalten haben. Lädt man dessen Assistentin zuerst vor, wird der Mitarbeiter zwangsläufig davon erfahren und könnte ggf. Beweise vernichten oder auf die Assistentin einwirken, bestimmte Dinge in der Befragung zu verschweigen. Deshalb wird man eher eine kurze Ladungsfrist wählen. Stellt man der Assistentin einen Zeugenbeistand, denn sie könnte sich ggf. der Beihilfe strafbar gemacht haben? Fairerweise ja. Wie belehrt man sie? Als Zeugin oder (Mit-) Beschuldigte? Möglichst umfassend als Zeugin mit Hinweis auf § 55 StPO. Darf man Zusagen machen, wenn sie gegen den Mitarbeiter auspackt? Eher nicht. Darf man E-Mails des Mitarbeiters seines Dienstrechners oder seinen Terminkalender durchsehen, ob sich belastendes Material findet? Nur, wenn er umfassend zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen wurde. Wie ist die Befragung zu dokumentieren? Möglichst audiovisuell, wobei dann das Datenschutzrecht zu beachten ist. Es stellen sich also äußerst komplizierte und rechtlich weitgehend ungelöste Fragen.
Um es kurz zu machen: All diese Fragen sind rechtlich höchst umstritten und es gibt keinen definierten rechtlichen Rahmen für eine rechtskonforme Vorgehensweise. Es ist unbedingt dazu zu raten, eine auf das Strafrecht und Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Kanzlei hinzuzuziehen. Die Rechtsfragen sind vorwiegend strafrechtlicher/strafprozessualer Natur, in denen nur regelmäßig damit befasste Rechtsanwälte ausreichend erfahren sind.
Präventivberatung
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Vertrauen Sie auf unsere Expertise
Rechtsanwalt Mirko Laudon LL.M. (Wirtschaftsstrafrecht) ist Fachanwalt für Strafrecht und seit Jahren spezialisiert auf Aussage gegen Aussage Konstellationen. Er war etwa führend verantwortlich für die Untersuchung sowie Aufklärung in einer internationalen Großbank, dessen leitendem Angestellten ein sexuelles Fehlverhalten zur Last gelegt worden war.
In großen Unternehmen führen wir die internal Investigations je nach Umfang der Sache nicht selbst durch, sondern vertrauen unseren namhaften Partnern. Wir beraten das Unternehmen jedoch bei der Konzeption der Maßnahmen und begleiten deren Durchführung bis zur Fertigstellung und Erläuterung des Abschlussberichts.